Die Geschichte von St. Pauli


adobe.stock © Harlekin-Graphics
adobe.stock © Harlekin-Graphics

St. Pauli und die Reeperbahn, mit diesen Orten werden Sünde und Vergnügen, Drogen und Gewalt aber auch Freiheit und Zusammenhalt verbunden. Die Geschichte über einen Stadtteil der Ausgestoßenen und Unerwünschten bietet einiges Tragik und doch schwingt auch immer die Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit. Die wechselhafte Vergangenheit des Viertels ist sowohl von Aufstiegen als auch von Niedergängen geprägt.

Der Beginn des von St. Pauli

Der Anfang der Geschichte St. Pauli‘s findet sich im Mittelalter. Denn dort wurde erstmals festgelegt, dass der „Hamburger Berg“, eine Erhöhung zwischen Hamburg und Altona, zu Hamburg gehört. Entschieden hat dies Graf Schaumberg im Jahre 1429, wie durch eine Chronik belegt worden ist. Der Graf, der zu Besuch in die Stadt kam, war von der Gastfreundschaft der Ehefrau des Bürgermeisters so angetan, dass er ihr den „Berg“ als Geschenk machte. So hatte sie einen Ort um ihre Wäsche aufzuhängen.

Im 17. Jahrhundert wurden die ersten von vielen Unerwünschten zu dem Ort, der später St. Pauli werden sollte, geschickt. Vor der Stadtmauer gründete man ein Spital für Seuchenkranke und Menschen mit psychischen Störungen. In der Umgebung siedelten sich Menschen an, für die in der Stadt kein Platz war. Mit der Erweiterung der Stadtwälle wurde aber ein Großteil dieser Ortschaft wieder dem Erdboden gleich gemacht. Aufgrund der Nähe zur Stadtmauer sollte dort kein Elendsviertel entstehen, die nur allzu leicht in Brand gesteckt werden konnten. Trotzdem konnte nicht verhindert werden, dass immer mehr Menschen dorthin zogen. Gastwirte, Prostituierte, deren Arbeit ab 1732 verboten war und die sich vor die Stadt flüchteten, sowie Schausteller, vor allem aber die namensgebenden Reepschläger und Taumacher waren die Bewohner dieses Viertels. Diese Seilmacher brauchten für die Herstellung der langen Schiffsseile große Flächen, in denen sie ihre Reepen genannten Taue in Bahnen auslegen konnten. Daher sind in vielen deutschen Küstenstädten Straßennamen wie die Reeperbahn zu finden.

Von 1800 bis 1900

Als die Franzosen unter Napoleon 1806 die Stadt besetzten, konnten die Bewohner noch nicht ahnen, was auf sie zukommen sollte. Am 20. Dezember 1813 gaben die Franzosen den Befehl, innerhalb von vier Tagen das Viertel zu räumen. Danach wurde das gesamte Gebiet in Flammen gesetzt und der Vorort damit ein zweites Mal planiert. Allerdings dauerte es nur fünf Monate bis zum Abzug der Franzosen. Diese mussten die Stadt nach einer Belagerung geschlagen verlassen und so kamen die Bewohner wieder zurück. Die unter den Franzosen wieder erlaubte Prostitution florierte und 1833 wurde der Vorort als St. Pauli nach der dort stehenden Kirche benannt in die Stadt eingegliedert.

Nun begann eine Blütezeit, Tierschauen mit Seelöwen, Elefanten und Giraffen, der Olympische Circus eröffnete 1855, und 1858 das Lokal „Joachimstal“ und das „Carl-Schulz-Theater“. Durch die Nähe zum Hafen, die vielen Gaststätten und Bordelle wuchs der Vorort rasant. Die Prostitution war mittlerweile wieder in einer Grauzone angekommen. Sie wurden insoweit geduldet, wie sich die Prostituierten registrierten und nicht heimlich und unkontrolliert anschaffen gingen. Die größte Sorge waren Krankheiten, die sich in der Stadt durch unkontrollierte Sexarbeit rasend schnell verbreiten würden. Man entschied sich bald dafür, dass um eine bessere Kontrolle zu gewährleisten und zumindest Mindeststandards bei der Unterbringung der Prostituierten zu gewährleisten, die Bordellen an eine mit zwei Toren eingezäunte Straße zu legen.

Von 1900 bis zum 2. Weltkrieg

Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Reeperbahn in St. Pauli weltberühmt zu werden. Der Mix aus Hamburger Flair, exotischen Tierdarbietungen, Menschen aus aller Welt sorgte dafür, dass St. Pauli ein Sehnsuchtsort wurde. Für jeden gab es hier etwas, ob das Panoptikum mit seinen Wachsfiguren, die Varieté-Shows in den unzähligen Tanzlokalen oder das allgegenwärtige Glücksspiel. Obwohl es ein Glücksspielverbot für nicht staatliche Akteure gab, boomte das Geschäft. In den 1920er Jahren begannen Spielautomaten in Deutschland populär zu werden, auch in St. Pauli. Diese ersten mechanischen Automaten waren aber noch weit von dem entfernt, was später aus ihnen werden sollte. Deshalb vermarktete man sie auch als Geschicklichkeitsspiele und umging so die Verbote. Seitdem ist die Geschichte des Glücksspiels auf St. Pauli fest mit Kiezlokalen und Automaten verbunden.

In den wilden Zwanziger gab es in Deutschland in den Nachkriegsjahren noch ganz andere Laster neben Prostitution und Glücksspiel. Während der Alkohol in dieser Zeit knapp war, war kein Mangel an Drogen anderer Art. Nachdem sich chinesische Seefahrer in St. Pauli ansiedelten, entstanden erste Opiumhöhlen. Das führte schnell zu rassistischen Vorurteilen im Rest von Deutschland, diese sind aber den Kiez-Bewohnern die bekannt für ihre Offenheit sind, war dies fremd. Trotzdem entwickelte sich Hamburg zu einem der größten Drogenumschlagplätze Europas. Neben Opium und Heroin, boomte auch der Handel von Kokain und Eukadol. Erst mit dem Opiumgesetz 1929 wurde der Handel mit Drogen weitestgehend eingeschränkt. Unter der Hand verschwand der Drogenhandel nie aus St. Pauli.

Von 1940 bis 1970

Im Zweiten Weltkrieg wurde erneut ein großer Teil von St. Pauli zerstört. Unzählige Brand- und Sprengbomben richteten große Verwüstung an. Der Name dieser Operation war „Gomorrha“ in Anspielung auf den biblischen Sündenpfuhl und bezog sich offensichtlich auf St. Pauli. Erst in den 50er Jahren wurde das Vergnügungsviertel wieder seinem Ruf gerecht. Ausländische Bands zogen auf der Reeperbahn um die Häuser, in den 60er war ein Auftritt der Beatles der Höhepunkt. Der Spielbudenplatz auf der Reeperbahn wurde modernisiert, Gaststätten und Pavillons zum Verweilen eingerichtet.

Allerdings hielt diese Maßnahmen nicht lange. Der Kiez verkam immer mehr und der Spielbudenplatz wurde bald ein Schandfleck. Aber dieses Schicksal teilte ganz St.Pauli. In den 70er verkam das Viertel immer mehr. Die Streitigkeiten der Luden, der Drogenhandel und Gewaltverbrechen wie die des Mörders Fritz Honka brachten nicht nur die negative Presse, sie trugen auch zum Verfall bei.

Die 1980er

adobe.stock © Frankix
adobe.stock © Frankix. Herbertstrasse in the red light district of Hambrug, Germany

Anfang der 80er bildete sich eine Gruppe von Luden, um die Kontrolle über die Prostitution in St. Pauli zu bekommen, die GMBH. Diese Gruppe war straff organisiert und wurde so zum ersten Kartell auf dem Kiez. Doch bald darauf kamen weitere, wie die Nutella-Bande und die Marek-Bande. Auch ausländische Gangs begannen nach und nach St.Pauli zu dominieren. Die Revierkämpfe wurden immer häufiger mit Schusswaffen ausgetragen und die Todeszahlen stiegen.

Doch Schuld war nicht nur die Gewalt. Auch das Aufkommen von Aids forderte viele Todesopfer und sorgte für einen Wandel in der Szene. Da auch durch das Aufkommen von Internetpornographie die Freier wegblieben, suchten die Kartelle die Lösung im Drogenhandel. All das führte dazu, dass St. Pauli als eines der ärmsten Stadtviertel in Europa galt. Andere fühlten sich nun dort wohl. Hausbesetzer kamen und übernahmen viele der leerstehenden Häuser und lieferten sich Streit mit der Politik.

Die letzten Jahre

Wer heute durch den Kiez geht, für den ist dieses Elend aber nur noch Fassade. In der Herbertstraße, wo einst 1000 Prostituierte arbeiteten, sind heute gerade einmal ein Viertel davon in der Sexarbeit beschäftigt. Und auch sonst sind die wilden Zeiten vorbei. Mit den Hausbesetzern hat man sich geeinigt. Die großen Kartelle sind verschwunden und mit ihnen die Bandenkriege. Stattdessen kommen jetzt die Touristen, um sich bei Führungen durch St. Pauli einmal dem Laster nahe zu fühlen. Investoren kaufen Häuser auf und lassen entweder Gelände wie die ehemalige Esso-Häuser brach liegen oder bauen Wohnungen, die schlicht nicht bezahlbar sind für die klassische Klientel von St. Pauli. Mittlerweile ist die Legende vom Kiez größer als der Kiez selbst und Führungen und Serien, wie etwa „Die Luden“ versuchen dieses verschwundene Gefühl einzufangen. Und auch wenn das Viertel jetzt sauberer, sicherer und schöner ist, kann man nicht anders als den verlorenen Charme dieses alten und lasterhaften Stadtteils zu betrauern.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert