Der schleichende Tod der Sportstadt Hamburg


Lange Zeit hatte Hamburg sportlich äußerst viel zu bieten. In gefühlt jeder beliebigen Sportart und dazugehörigen Liga fand sich ein Team, welches die Auswärtsfahrt in die Hansestadt für die jeweiligen Konkurrenten zum Highlight der Saison machte. Sowohl die Mannschaften als auch die Fans zog es Wochenende für Wochenende in die schönste Stadt der Welt. Doch die Entwicklung der Vereine ist in den letzten paar Jahren stagniert. Es wirkt fast so, als wäre Hamburg müde von der Übersättigung des Angebots. Dabei herrschen in Hamburg noch immer neben den sportlichen, auch optimale Voraussetzungen der schulischen beziehungsweise beruflichen Weiterentwicklung, die sich in der Vergangenheit bereits positiv auf den Standort ausgewirkt haben.

Eine Chronologie des Verfalls

Wann genau der Untergang seinen Anfang fand, lässt sich nicht genau terminieren. Doch vor etwas mehr als zehn Jahren entzog die Profi-Organisation ATP dem Tennisturnier am Rothenbaum den Status als Masterturnier. Bisher galt das von Michael Stichs Hamburg Sports & Entertainment GmbH veranstaltete Turnier als eines der höchsten Kategorie und war aufgrund seines Termins im Mai unter Sportsfreunden lange Zeit als Generalprobe vor den French Open bekannt. Doch nicht nur von Seiten des Tennisdachverbandes wurden den Hamburg Masters Steine in den Weg gelegt. 2009 wurde seitens des Hamburger Verwaltungsgerichts die Werbung mit dem bis dato titelgebenden Sponsor bet-at-home.de untersagt. Zwar wurde dieses Urteil bereits ein Jahr später revidiert, doch der stetige Rückgang der Zuschauer, sowohl vor Ort als auch vor den Fernsehgeräten war nicht mehr aufzuhalten. 2015 entschloss sich der Wettanbieter schließlich, sich aus dem Turnierbetrieb zurückzuziehen.

2015 folgte dann der nächste Schock: Nach eines Referendums zur Bewerbung um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2024 sprach sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Olympiade in Hamburg und Kiel aus. Wolfgang Schäuble kommentierte „Ich find’s schade. Ich hätte mich gefreut“. Viel mehr gab es dazu auch nicht zu sagen. Zu angespannt war die Stimmung in der Stadt, die unmittelbar vor dem Referendum mit der Flüchtlingskrise, dem Fifa-Skandal und den Terrorakten in Paris konfrontiert wurden. Man konnte sogar etwas Vernunft aus dem Lager der NOlympia Initiative erkennen; „die Menschen sehen, dass es Sachen gibt, wo das Geld besser angelegt ist.“

Das Jahr 2016 schlug dann direkt zwei weitere Nägel in den Sarg, der den Profisport in Hamburg beerdigen soll. Zuerst eröffnete der HSV Handball ein Insolvenzverfahren. Grund hierfür war der Rückzug des bis dato als Präsident fungierende Mäzen Andreas Rudolph. Dieser hatte seit 2004 nach eigenen Angaben 50 Millionen Euro in den Club investiert. Doch Altlasten und stetig zurückgehende Einnahmen aus Merchandise und Zuschauerzahlen konnten vom Verein selbst nicht mehr getragen werden. Auf Hilfe aus Politik oder der Handball Bundesliga warteten die verbleibenden Funktionäre vergeblich.

Ein ähnliches Schicksal erlitten die Eishockeyherren der Hamburg Freezers etwas später. Der Eigentümer des Clubs und der zugehörigen Barclaycard-Arena, die Anschutz Entertainment Group, begründete ihren Entschluss, keine neue Lizenz zu beantragen, damit, dass die AEG mit den Berliner Eisbären noch eine zweite Mannschaft aus derselben Liga in ihrem Portfolio führt. Der Entschluss gegen Hamburg fiel letztendlich auch, da die Freezers ähnlich wie die Handballer ein Minusgeschäft seien. Trotz einer groß aufgezogenen Spendenaktion zugunsten des Clubs, in der Prominenz und Privatiers fast eine Million Euro für den desolaten Club sammelten. Leider reichte die Summe jedoch nicht aus, um die erhebliche Budgetunterdeckung auszugleichen. Folglich wurde die Auflösung beschlossen.

„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.“ So oder so ähnlich stellt man sich das kollektive Motto der ausgegliederten Profiabteilung des HSV vor. Lange Zeit aufgrund mangelhafter sportlicher Leistungen von ganz Deutschland belächelt und dennoch der letzte Hamburger Club in einer erstklassigen Profiliga. Doch seit diesem Jahr ist auch der Dino in die zweite Liga abgerutscht. Während zu hoffen bleibt, dass es sich hierbei nur um ein vorübergehendes Intermezzo handelt, so tröstet die Aussicht auf zwei Lokalderbys in der nächsten Saison wenigstens ein kleines Bisschen über die Tatsache hinweg, dass Hamburgs alteingesessene Sportclubs keine rosige Zukunft besitzen.

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Der Sport ist tot. Lang lebe der Sport!

Dabei ist die Attraktivität der Stadt in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Wenn selbst die New York Times Hamburg als eins der weltweit besten Reiseziele nennt, so zieht das Tor zur Welt immer mehr Touristen an. Diese kommen zurecht mit einer Erwartungshaltung in die Stadt, die durch schlechten Sport nur selten gedeckt wird. Vielmehr geht es um das Miterleben großer Events. Da wundert es kaum, dass seit 2017 der Iron Man Triathlon als weiterer Teil des Hotspots für Ausdauersport neben Cyclassics und Marathon die sportliche Relevanz für Hamburg ergänzt.

Doch ganz im Sinne eines Sportlers lässt sich Hamburg von den Misserfolgen der letzten Dekade nicht unterkriegen. Mund abputzen, weitermachen und einen vorsichtigen Blick in die Zukunft wagen: Denn zukunftsträchtige Sportarten wie der eSport Dota2 füllten bereits letztes Jahr die Barclaycard Arena. Grund genug für die Veranstalter, auch in diesem Jahr wiederzukommen.

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